Podstrony
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oben bis unten. »Schon gut, ich werd dir deine verfettete Freundin nicht wegnehmen.« »Haut bloß ab, ihr Kotzbrocken«, sagte ich mit meiner finstersten Stimme und zeigte den Gang hinab. »So ein seltsames kleines Monster«, gab Joey zurück, schüttelte den Kopf und zog mit seinen beiden Speichelleckern weiter. Er klang cool, aber sein Blick hätte töten können. Mein Herz pumpte Blut für drei Körper durch meine Adern. Ich spürte, wie sich meine Haut in einen Panzer verwandelte, als ich mich wieder umdrehte, um meinen Spind zu öffnen. Becky starrte ihre Schachtel mit den Schokoriegeln an. Sie krümmte sich, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt. In ihren Augen standen Tränen, bereit, sich in ihren Tod auf Beckys Wangen zu stürzen. »Danke, Celia«, flüsterte sie. Ich nickte nur. Die Leute kritisieren es, wenn Kinder und Jugendliche zu dick sind. Aber auf der anderen Seite schenken sie uns Geburtstagstorten, Osterhasen und Nikoläuse und Unmengen Süßkram zu Weihnacht- en. Und wenn man sich Becky ansieht, weiß man, dass sie nicht nur dick ist, weil sie gerne Plätzchen isst. Sie braucht das Fett noch für et- was anderes, zur Strafe oder zum Schutz. Ich glaube, Becky ist aus dem gleichen Grund dick, aus dem ich finster bin. Meine Hände zitterten noch, als ich zur ersten Stunde kam. Ich tat alles, um meinen Atem unter Kontrolle zu bringen, während Mr Pearson durch das Klassenzimmer ging und uns unsere Hausaufgaben zurückgab, die wir am vergangenen Freitag eingereicht hatten einen Aufsatz über das Gedicht : We Real Cool9 79/254 von Gwendolyn Brooks. Ich hatte mich entschieden, meine Arbeit in Form eines Gedichts zu schreiben. Welche dichterischen Mittel verwendet die Lyrikerin Gwendolyn Brooks in ihrem Gedicht : We Real Cool9 , um das, was sie sagen will, zu vermitteln? Ist es Gwendolyn Brooks Ansicht nach cool, die Schule zu schmeißen? Celia die Finstere Sterben ist nicht heiß Cool ist nicht mehr cool, denn cool ist jetzt heiß. Und Schule ist nicht mehr Schule, wenn man sie schmeißt. Dann ist die Straße die Schule, und John, der Abgedrehte, der Aussteiger, ist der Lehrer. Und es ist nicht cool, weil die coolen Kinder in der Schule sind, wo andere coole Kinder ihnen sagen, wie heiß sie sind, und sie wollen sich nichts entgehen lassen. Kinder, die die Schule schwänzen, sind weder cool noch heiß. Sie essen weggeworfene Pizza aus der Mülltonne, wollen von ihren Eltern extra Pausengeld, für Zigaretten, als wäre ihnen ohnehin alles egal. Schuleschwänzen ist nicht cool, denn in der Schule lernen sie, was die Uncoolen erfahren über das Leben und Sterben. Ich schloss mein Gedicht sogar mit dem Wort Sterben, fast wie Gwendolyn Brooks. Und außerdem sagte ich noch eine ganze Menge darüber, wie es ist, wenn man heutzutage die Schule schwänzt. Ich 80/254 meine, schwänzt noch irgendjemand die Schule, um Poolbillard spielen zu gehen wie in Brooks Gedicht? Vielleicht war das früher so, in den Sechzigerjahren. Vielleicht schrieb sie das aber auch nur, weil »Pool« sich auf »cool« reimte. Als er mir meine Arbeit zurückgab, sagte der glatzköpfige Mr Pear- son in einem Ton, als hätte ihn noch nie in seinem Leben ein Gedicht inspiriert: »Celia, was soll das? Ich sagte, ihr solltet einen Aufsatz schreiben. Hol das bitte nach.« Mandy lachte leise vor sich hin. In mir barst ein ganzer Baum, gerade so, als hätte ein Blitz eingeschlagen. »Verdammt noch mal, halt die Fresse, Amanda«, fuhr ich sie an und trat mit dem Fuß so fest nach ihrem Tisch, dass er ein- en Satz nach vorne machte. Und jetzt ging im Klassenzimmer eine Bombe hoch. »Was hast du gesagt?« Mandy sprang von ihrem Stuhl auf. Sandy wirbelte herum, als hätte sie eine solche Ausdrucksweise noch nie gehört. Mr Pearson hob die Hand wie ein Schiedsrichter und blies bildlich gesprochen in seine Trillerpfeife. »Mandy, setz dich! Und du, Celia, du kommst morgen zum Nachsitzen.« Er zeigte mit seinem Wurst- finger auf mich. Mandy warf ihr langes Haar über eine Schulter und schob demon- strativ ihren Stuhl an seinen Platz, bevor sie sich wieder setzte. »Ein solches Verhalten und eine solche Ausdrucksweise dulde ich in meinem Unterricht nicht, Celia«, fuhr Mr Pearson fort, während er zu seinem Pult ging und ein Formular aus der Schublade nahm. Mir war so schlecht, dass ich Sandy auf der Stelle über den Rücken hätte kotzen können. Meine Knochen kamen mir vor wie aus Trockeneis und meine Ohren rauchten. Wie hatte ich nur so die Beherrschung verlieren können! In Englisch. Ich musste in Englisch nachsitzen. 81/254 Englisch war eigentlich mein sicherer Hafen, meine Oase. Ich schloss die Augen und erinnerte mich an den Unterricht von Ms Green. Bei ihr hätte sich dieser Vorfall niemals ereignet! Ms Green war in der Achten meine Englischlehrerin gewesen. In ihrem Unterricht hatte ich immer supergute Noten bekommen. Sie war die Erste, die mich ermunterte, Gedichte zu schreiben. Und sie hat noch viel mehr für mich getan. Sie trug immer hochhackige Schuhe und enge Röcke, während an- dere Lehrerinnen Schlabberkleider und Clogs oder Halbschuhe an- hatten. Ihr braunes langes Haar streichelte um ihre Schultern, als wäre sie einer Shampoo-Werbung entstiegen. Während des ganzen Schuljahrs fehlte Ms Green nicht einen Tag. Sie war nie krank, ließ sich nie beurlauben. Niemand in ihrer Familie starb. Sie war die ein- zige Lehrerin, die nie eine Vertretung brauchte, und am Schul- jahresende überreichte ihr der Direktor eine Auszeichnung für ihr Engagement. In Ms Greens Klassenzimmer standen die Tische im Kreis. In der Mitte lag ein geflochtener Teppich und darauf standen ein dick ge- polsterter Sessel und eine Leselampe. Jeden Freitag schaltete Ms Green das Neonlicht aus und ließ stattdessen die Sonne durch die Jalousien flimmern, während sie uns Gedichte vorlas. Einmal weinte sie sogar bei einem Gedicht, das von einem Mädchen handelte, dessen Vater gestorben war. Sie brach aber nicht ab, sondern las unter Tränen weiter. Es waren nicht nur die Jungs in meiner Klasse, die für Ms Green schwärmten. Ich glaube, die ganze Achte war in sie verliebt. Irgendwann im Mai, etwa einen Monat nachdem Ruth aus der Schule genommen worden war und zwei Wochen nachdem meine El- tern ihre Trennung auf Probe verkündet hatten, gab Ms Green mir 82/254 einen kleinen Notizzettel. Sie ging im Kreis von einem zum anderen und gab uns unsere Aufsätze über Elie Wiesels Autobiografie : Die Nacht9 zurück. Vor jedem Tisch blieb sie stehen und legte den Auf- satz vor den jeweiligen Schüler oder die Schülerin. Die Arbeiten sahen alle gleich aus. Oben waren sie zusammen ge- heftet und links in der Ecke standen mit roter Tinte die Note und eine Bemerkung. Als sie an meinen Tisch kam, zögerte Ms Green ein- en Moment. Ich sah zu ihr auf. Ihr Haar umrahmte ihr Gesicht wie eine Kapuze und sie lächelte ihr strahlendes Lächeln. Wortlos legte sie meinen Aufsatz, auf dem ein lilafarbener Zettel klebte, vor mich hin und ging weiter. Auf dem Zettel stand: Celia,
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